Das Geheimnis der Resilienz
Ich erinnere mich daran wie mir vor vielen Jahren, ein kurzer Artikel in einem Fachjournal ins Auge gefallen ist mit der Überschrift „die Unverwundbaren“. Das war 1978, und es ging um Zwischenergebnisse der Kauai-Studie, durchgeführt unter der Leitung von Emmi Werner, einer Pionierin der Resilienzforschung.
Das Spannende daran war, dass der Blick neben Betrachtung von Risikofaktoren auch auf Resilienzfaktoren gerichtet war.
Die Kauai Studie untersuchte auf der Insel Kauai alle Personen des gesamten Geburtsjahrganges 1955 von der pränatalen Entwicklungsperiode an sowie im Alter von 1, 2, 8, 10, 18, 32 bis zum Alter von 40 Jahren.
Schon in einer frühen kindlichen Entwicklungsphase konnte eine Vielzahl biologischer und psychosozialer Risikofaktoren, kritischer Lebensereignisse, aber auch schützender Faktoren in der Entwicklung dieser knapp 700 Kinder identifiziert werden.
Ca 30% der in dieser Langzeitstudie beobachteten Kinder wuchsen unter besonders schwierigen Umständen auf.
Ihre Entwicklung in den Familien, in die sie hineingeboren wurden, war geprägt durch Armut, Krankheit der Eltern, Vernachlässigung, Gewalt in der Familie, Misshandlung, niedrigen Bildungsstand der Eltern, etc.
Bei 2/3 dieser Kinder, die mit zwei Jahren zahlreichen Risikofaktoren ausgesetzt waren, entwickelten sich Lern- und Verhaltensstörungen während der Schulzeit.
Manche wurden früh straffällig oder hatten schwerwiegende psychische Probleme.
Aber 1/3 der untersuchten Kinder entwickelten sich trotz der erheblichen Risiken, denen sie ausgesetzt waren, zu zuversichtlichen, standhaften und fürsorglichen Menschen.
Dabei schienen bestimmte schützende Faktoren eine große Rolle zu spielen. Viele dieser Kinder zeigten eine gute Bindungsfähigkeit, gute soziale Kompetenzen, Kreativität und Fantasie, Selbstwirksamkeitserwartungen und aktive Bewältigungsstrategien. Ebenfalls war offenbar eine stabile Bindung zu einer Bezugsperson besonders wichtig.
Obwohl es nicht die erste Studie zum Thema Widerstandskraft bei Kindern war, gilt sie bis heute als Pionierarbeit der Resilienzforschung. Lange Zeit hatten vorwiegend Risikofaktoren im Zentrum von Forschung und Wissenschaft gestanden sowie die Frage, welche Risiken sich auf körperliche und seelische Gesundheit sowie auf die menschliche Entwicklung negativ auswirken.
Hinsichtlich psychischer Risiken wurden jetzt zwei Hauptgruppen unterschieden – intrinsische Risikofaktoren, so genannte Vulnerabilitätsfaktoren (Vulnerabilität = Verletzlichkeit) und Risikofaktoren aus der Umwelt, die auch als Stressoren bezeichnet werden.
Aufgrund eines Paradigmenwechsel durch Forschungserkenntnisse u.a. die Kauai-Studie und einer daraus resultierenden salutogenetischen Sichtweise entstand eine neue Perspektive, die den Fokus auf die Ressourcen und Schutzfaktoren eines Menschen legte und Grundlage der Resilienzforschung wurde.
Im gleichen Zeitraum entwickelte A. Antonovsky (Health, Stress and Coping, 1979) in der Medizin das Modell der Salutogenese, das sich damit beschäftigt, was den Menschen gesund hält. Auch hier verlagert sich die Fragerichtung von einer problemorientierten hin zu einer ressourcenorientierten Perspektive.
Quellen