Gruppensituationen bergen viele Möglichkeiten und neue Impulse. Gruppendynamische Prozesse stecken oft voller Chancen und Herausforderungen. Manchmal müssen wir einige Ungewissheiten aushalten, während wir uns an Neues herantasten und abwägen, was das Richtige sein mag, welche Entscheidungen klug sein werden. Öfters spielt dabei auch unser Bauchgefühl eine wichtige Rolle und kann uns gute Hinweise geben.
“Ich kam an deine Küste als Fremdling, ich wohnte in deinem Haus als Gast, ich verlasse deine Schwelle als ein Freund, meine Erde.”
Rabindranath Tagore
Begegnungsräume
Eine Quelle oder Dorfbrunnen war schon immer ein wichtiger Ort, zu dem die Menschen kamen und ihr Wasser holten. Dort begegneten sie einander auch und tauschten sich aus.
Gruppen begleiten uns und prägen unser Sozialleben. Die Gemeinschaft, die wir kennen, in die wir vielleicht hineingeboren wurden, ist uns vertraut. Ein neues, Gesicht in einer Runde ist zunächst fremd und wird in Augenschein genommen. Nach einer Weile gehört es vielleicht dazu. Kennenlernen braucht Zeit und eine gemeinsame Sprache, die sich entwickelt. Miteinander vertraut zu werden erfordert Austausch, ein Gespür füreinander zu bekommen und auch zu verstehen, was die nonverbalen Signale des Gegenübers bedeuten.
Alles, was wir im Leben brauchen, ist mehr Menschlichkeit.
Dalai Lama
Gruppendynamik nach Jacob L. Moreno
Jacob L. Moreno war ein österreichisch-amerikanischer Arzt, Psychiater, Soziologe und der Begründer des Psychodramas, der Soziometrie und der Gruppenpsychotherapie. Seit den 1930’ern war er mit Studien zu Soziometrie befasst, und er entwickelte die Soziometrie zur Diagnose von Beziehungen in Gruppen. Zudem gilt er als Mitbegründer der Rollentheorie, die später bei den Konzepten für Psychotherapie in der Gruppe eine wichtige Rolle spielte.
Spielerisches Kräftemessen ist Energie und Dynamik, ist ehrlich und befreiend. Auch das Vertrauen sich fallen zu lassen gehört dazu. Das partnerschaftliche Raufen beinhaltet das alles, ohne jedoch das Destruktive und Trennende des Kampfes. Und fügt noch Spaß und Vergnügen hinzu. Man bekommt eine Idee davon, was hier gemeint ist, wenn man vielleicht an eine Kissenschlacht denkt.
Es geht also nicht ums Gewinnen oder Verlieren, darum, gegeneinander zu kämpfen. Sondern es gibt Spielraum, der verbindet, es ermöglicht, vergnüglich miteinander herumzutollen, zu lachen und herrlich wild sein. Bei dieser einvernehmlichen körperlichen „Auseinandersetzung“ können wir unsere Kraft und die unseres Gegenübers spüren, sie lässt uns unsere Körper so auf eine ganz eigene, intensive Weise erleben. Wir betreten dabei einen geschützten Erfahrungsraum, in dem wir uns auch auf Themen, Situationen und Gefühle einlassen können, die sonst eher ausgeblendet werden.
„Spielen ist etwas Heiteres.“
Viktor von Bülow alias Loriot
Gruppendynamik
„Gruppendynamik bezeichnet das Geschehen in Gruppen, die Dynamik von Veränderung und Kontinuität, das Kräftespiel einer Gruppe. Obwohl wir große Teile unseres Lebens in Gruppen verbringen, nehmen wir das dynamische Kräftespiel, das sich dabei zwischen den Menschen abspielt, meistens nicht bewusst wahr. Die Gruppendynamik bemerken wir dann, wenn es hakt, wenn die Harmonie gestört wird, es Streit gibt, die Arbeit nicht voran geht. Mit der Gruppendynamik ist es so wie mit der Luft zum Atmen: Erst wenn man etwas riecht, fällt sie auf. Ob wir es wollen oder nicht, unser Verhalten wird nicht (nur) von unserer Persönlichkeit bestimmt, sondern ebenso sehr von den sozialen Gruppen, zu denen wir gehören oder gehören wollen.
Als soziale Wesen sind wir darauf angewiesen, Gruppen anzugehören. Dafür sind wir bereit, uns zu engagieren, Verantwortung zu übernehmen aber auch uns anzupassen und eigene Bedürfnisse hinten an zu stellen. Die Gruppe wirkt auf uns und unser Verhalten wirkt auf die Gruppen zurück, wir beeinflussen bewusst oder unbewusst, wie es in der Gruppe zugeht. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann uns stärken, unterstützen, schützen, erfreuen, glücklich machen aber auch einschränken, Druck ausüben, Angst machen, zu Handlungen zwingen, die wir eigentlich nicht wollen.“
Deutsche Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsdynamik (DGGO), Stand April 2020, Einleitung